„Spuck aus dein Mitgefühl, es schmeckt nach Blut.“





Text: Heiner Müller
Regie: Fabiola Kuonen
Video: Sean Keller
Musik: Lorin Brockhaus
Spiel: Cyril Hilfiker
Fotos ©Sean Keller / ©Marc Pawlowski
Premiere: 30.9.2017
Volkstheater Rostock
Festivals & weitere Vorstellungen:
Festival salzig on stage | Salzburg
Festival Freisprung | Rostock
Kulturstätte Ke//er | Berlin
Die Handlung des Stückes setzt ein, nachdem der trojanische Krieg bereits zehn Jahre lang wütet und den Griechen bewusst wird, dass Troja nur mit Philoktets Hilfe eingenommen werden kann. Dieser wurde jedoch – mit seiner Wunde „nicht mehr dienlich“ – auf dem Hinweg nach Troja von Odysseus auf der Insel Lemnos ausgesetzt. So begeben sich Odysseus und Neoptolemos zurück nach Lemnos, um Philoktet und seinen Bogen nach Troja zu bringen. Daraufhin folgen Täuschungen und Instrumentalisierungen, jede Figur sieht die anderen nur als Mittel zum Zweck.
Die Antike ist in dieser Inszenierung in einen abstrakten zukünftigen Raum versetzt, der Mensch wird der Technik gegenübergestellt, Philoktet den systemkonformen Varianten seines Selbst.
Die Professionalisierung des Selbst schreitet fort, immer mehr von uns wird zu einer digitalen Werbefläche, auf der Selbstoptimierung groß geschrieben wird. In uns werden wir selbst als Gegenspieler immer stärker, sich widerstrebende Tendenzen werden immer unvereinbarer.
Heiner Müller schreibt 1968 seine Fassung von Philoktet und zeichnet drei konturenreiche Figuren, die sich gegenseitig instrumentalisieren. Wie nun, wenn alle Figuren ein Mensch sind, und die Verdinglichung an sich selbst vorgenommen wird?
Odysseus und Neoptolemos finden nur noch digital statt, sind ungreifbar und als Feinde nicht zu erreichen: Ihr Ort ist Projektion. Philoktet steht zwei Gegenspielern gegenüber, die beide sein Gesicht tragen. Im Kampf zwischen Mensch und Technik, dem Ringen des Schauspielers mit der Videovorlage, spiegelt sich auch die Unentrinnbarkeit des antiken Schicksalsdenkens. Wenn Philoktet seinen Bogen Neoptolemos reicht und die Macht dematerialisiert wird, ist Philoktets Verzweiflung eine andere.